Um von Senden, dem Ort, indem unser Wundex - die Wundexperten Headquarter steht, nach Talata Volonondry zu kommen, bedarf es einer Reise von rund 8.785,91 km, einmal durch das Mittelmeer, Afrika und den Indischen Ozean, per Bus, ICE , Flugzeug und ganz zum Ende dann mit dem „taxi brousse“, dem Lieblingstransportmittel der Madagassen. Trotz der Distanz gibt es eine Verbindung, die nicht zu kappen ist, sie führt über München, wo das von Eva Kopp gegründete Sozialprojekt „Die Kinder von Talata“ sitzt, welches von einigen unserer Mitarbeiter*innen privat durch die Übernahme von Kinderpatenschaften unterstützt wird. Wie das genau funktioniert mit den Patenschaften, wie es kommt, dass die gebürtige Münchnerin Eva Kopp seit Jahren Schulkinder in einem madagassischen Dorf unterstützt und welche Rolle ihr Partner Dr. Josef M. Sobek im Rahmen des Sozialprojekts innehat, konnten wir in einem Interview klären.
Eva, zuerst wollen wir natürlich einmal wissen, wie es dazu kommt, dass du dich ausgerechnet in Talata Volonondry engagierst.
Eva Kopp: Über französische Freunde haben wir von der Schule in Talata Volonondry erfahren. Das Paar lebte mehrere Jahre in Antananarivo, der Hauptstadt Madagaskars, der Mann war dort Militärattaché. So erfuhren wir von der prekären Situation der Kinder in Talata Volonondry, wobei die Situation der Kinder in ganz Madagaskar prekär ist.
Entschuldigung - kurze Zwischenfrage - hat der Name der Stadt eigentlich eine bestimmte Bedeutung?
Eva Kopp: Ja, „Talata“ heißt Dienstag auf madagassisch. Und „Volonondry“ Schafwolle.
Spielt denn Schafwolle eine wichtige Rolle vor Ort?
Eva Kopp: Nein, ich habe noch nicht ein Schaf in Talata Volonondry gesehen, dafür aber viel bittere Armut. Madagaskar ist derzeit das fünf ärmste Land der Welt. Ich entschloss mich vor Ort zu helfen. Viele Mütter der Kinder des Schulzentrums „Victoria Rasoamanarivo“, das wir unterstützen, stellen Tischdecken her, diese kauften wir, von dem Erlös wurden Schuluniformen für die Kinder oder was auch immer benötigt wurde, gekauft. Irgendwann hatten wir genug Tischdecken und wir fragten nach, ob man durch Patenschaften unterstützen könne, das war 2005, das Gründungsjahr von unserem Sozialprojekt „Die Kinder von Talata“. Wir haben sehr schnell alle Informationen über die ersten 10 Kinder bekommen und konnten die Kinder sofort platzieren. Wir haben nie Werbung für unser Projekt gemacht, es wurde eine Art Schneeballsystem. Ich erzähle gern davon, Josef inzwischen auch und natürlich die Paten. So fing das alles an.
Wie habt Ihr zwei Euch eigentlich kennengelernt?
Eva Kopp: Wir kennen uns seit 40 Jahren, erstmalig kennengelernt haben wir uns in einem Robinson Club in Kenia. Irgendwann habe ich Josef gefragt, ob er mir helfen will. Er wollte und unterstützt mich heute vor allem darin, neue Spender und Paten für die Kinder von Talata zu finden.
Was muss ich mitbringen, um mich als Pate bei Euch zu engagieren?
Eva Kopp: 15 Euro im Monat. Jeder Pate hat sein „persönliches“ Patenkind. Man bekommt alle Informationen, also den Namen, ob es ein Mädchen oder ein Bub ist, wann es geboren ist, wie die familiären Verhältnisse sind - und natürlich ein Foto.
Dr. Josef Sobek: Zweimal im Jahr schreiben die Kinder ihren Paten ein kleines Briefchen, auf Französisch, der Landessprache auf Madagaskar. Die monatlichen 15 Euro reichen aus, dass jedes Kind das Schulgeld für das private Schulzentrum bezahlen kann, außerdem genügt der Betrag, um die benötigen Materialien für die Schule zu kaufen und, ganz wichtig, für eine warme Mahlzeit pro Tag. Man muss wissen, dass sich das Gros der öffentlichen Schulen auf Madagaskar in einem desolaten Zustand befindet, der Bildungsweg über eine private Schule ist der einzige Weg der Armutsspirale zu entkommen. Ach so, und eine warme Mahlzeit pro Tag ist auf Madagaskar übrigens keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, dementsprechend wichtig für unsere Patenkinder. Unsere Kinder bleiben grundsätzlich im Programm, bis sie eine Ausbildung beendet haben. Also nicht nur bis Schulabschluss, nein, sie dürfen und sollen eine Ausbildung machen, bei der wir sie begleiten. In Madagaskar bezahlt man für die Ausbildung und es gibt für die Lehrlinge kein Gehalt. Im Schnitt rechnet man ca. € 300,--/pro Jahr, die Ausbildung dauert 3 Jahre. Wir reden hier von Schneiderin, Friseurin, Automechaniker, etc. Nach Abschluss der Ausbildung behalten wir die Großen noch 3 Monate im Programm, d.h. sie bekommen noch jeweils € 15,--/Monat und zusätzlich Handwerkszeug, wie eine Nähmaschine oder einen Werkzeugkasten.
Eva Kopp: Oder, auch das gab es schon, ein Schwein, um eine Schweinezucht aufzubauen. Das Geld für die Ausbildung wird an die verantwortliche Schwester geschickt, die das Schulgeld dann direkt an Ort und Stelle einzahlt.
Man hört immer wieder von Sozialprojekten, bei denen gespendete Beiträge nicht ankommen, wo sie ankommen sollten. Wie verhindert Ihr das?
Dr. Josef Sobek: Bei uns kommt nicht ein einziger Cent nicht da an, wo er ankommen sollte. Auch wenn wir einmal im Jahr nach Talata Volonondry fliegen, wird das nicht von den Spenden finanziert, sondern aus der eigenen Tasche.
Eva Kopp: Die Verwaltung übernehme komplett ich, so entstehen hier keine Kosten. Seit 2005 arbeiten wir zusammen mit dem Orden St. Joseph de Cluny in Paris – ein katholischer Frauenorden, der auch unsere Schule in Talata Volonondry betreibt. Dieser Orden gewährleistet Strukturen, innerhalb derer wir vernünftig arbeiten können.
Dr. Josef Sobek: Inzwischen 181 Kinder in unserem Programm und 117 Paten. Die Paten sind in Deutschland und der Schweiz.
Der oder die ein/e oder andere Leser*in hätte wahrscheinlich Interesse daran eine Patenschaft zu übernehmen. Ist das denn aktuell überhaupt noch möglich bei Euch?
Dr. Josef Sobek: Ja, es sind noch rund 15 Patenschaften möglich, aber Spenden gehen natürlich immer. Im Laufe der Zeit konnten wir über Spenden die Aufstockung eines Gebäudes um ein Stockwerk finanzieren, in dem unsere internen Mädchen untergebracht sind sowie einen Beitrag zum Neubau eines Schulgebäudes leisten. Als wir 2005 begonnen haben, gingen ca. 350 Kinder in die Schule, heute sind es ca. 1.000, da reichte natürlich der Platz bei weitem nicht mehr aus.
Eva, Du engagierst Dich seit Jahrzehnten in Madagaskar, investierst viel Kraft und Zeit in das Projekt „Die Kinder von Talata“. Erzähle uns von Momenten, bei denen Du für Deine Arbeit entlohnt wirst.
Eva Kopp: Immer wenn wir in Talata sind, organisieren wir auch ein Treffen für die Großen, also all jene, die ihren Abschluss erfolgreich gemeistert haben und sich bereits im Berufsleben befinden, das ist wirklich immer toll, das rührt mich zu Tränen. Man spürt, dass man durch seine Arbeit etwas bewirkt hat.
Gibt es noch etwas, das Ihr zum Ende unseres Interviews loswerden wollt?
Eva Kopp: Gern, Madagaskar ist ein extrem armes Land, obwohl es ein Paradies sein könnte. Aber ohne Korruption läuft dort nichts und alles hat seinen Preis – ob ein Richterposten, Polizist, Militär, sogar Minister. Darum ist es uns so wichtig, dass die Kinder ein Handwerk lernen, um damit ihr Leben zu finanzieren. Ca. 60 % der Menschen sind Analphabeten, es gibt keine durchgängige Strom- oder Wasserversorgung, Gesundheitswesen nur für den, der es bezahlen kann. Ein Landarbeiter verdient derzeit ca. 2 € pro Tag, 1 kg Reis kostet aber schon 0,65 € und Reis ist das absolute Hauptnahrungsmittel. Entwicklungshilfe bewirkt nichts, da sie nicht zweckgebunden ist und nur an die offiziellen Stellen bezahlt wird. Was wirklich hilft, sind kleine Projekte. Zum Abschluss noch ein Wort der dortigen Ordensoberin: Man kann nicht allen helfen, aber wenn man ein Projekt hat, dann muss man es so gut wie möglich machen – und das ist unser Bestreben.